Er fuhr zwei Jahre in der Welt umher und schaute aus seinem Wagen links und rechts an den Häusern hinauf, schaute, wenn er anhielt, nichts als das Schild seines Wirtshauses an, lief dann in der Stadt umher und ließ sich die schönsten Sehenswürdigkeiten zeigen. Aber es freute ihn nichts, kein Bild, kein Haus, keine Musik, kein Tanz. Sein Herz von Stein nahm an nichts Anteil, und seine Augen, seine Ohren waren abgestumpft für alles Schöne. Nichts war ihm mehr geblieben als die Freude an Essen und Trinken und der Schlaf, und so lebte er, indem er ohne Zweck durch die Welt reiste, zu seiner Unterhaltung speiste und aus Langeweile schlief. Hier und da erinnerte er sich zwar, dass er fröhlicher und glücklicher gewesen war, als er noch arm war und arbeiten musste, um sein Leben zu fristen. Da hatte ihn jede schöne Aussicht ins Tal, hatten ihn Musik und Gesang ergötzt, da hatte er sich stundenlang auf die einfache Kost, die ihm die Mutter zu dem Meiler brachte, gefreut. Wenn er so über die Vergangenheit nachdachte, so kam es ihm ganz sonderbar vor, dass er jetzt nicht einmal lachen konnte - und sonst hatte er über den kleinsten Scherz gelacht. Wenn andere lachten, so verzog er nur aus Höflichkeit den Mund, aber sein Herz lächelte nicht mit. Er fühlte dann, dass er zwar überaus ruhig war, aber zufrieden fühlte er sich doch nicht. Es war nicht Heimweh oder Wehmut, sondern Öde, Überdruss, freudloses Leben, was ihn endlich wieder in die Heimat trieb.
Als er von Straßburg herüberfuhr und den dunklen Wald seiner Heimat erblickte, als er zum erstenmal wieder jene kräftigen Gestalten, jene freundlichen, treuen Gesichter der Schwarzwälder sah, als sein Ohr die heimatlichen Klänge - stark, tief, aber wohltönend - vernahm, da fühlte er schnell nach seinem Herzen. Denn sein Blut wallte stärker, und er glaubte, er müsse sich freuen und müsse weinen zugleich, aber wie konnte er nur so töricht sein - er hatte ja ein Herz aus Stein!
Sein erster Gang war zum Holländer-Michel der ihn mit alter Freundlichkeit aufnahm. "Michel", sagte er zu ihm, "gereist bin ich nun und habe alles gesehen. Ist aber alles nur dummes Zeug, und ich hatte nur Langeweile. Oberhaupt, Euer steinernes Ding, das ich in der Brust trage, schützt mich zwar vor manchem. Ich erzürne mich nie, bin nie traurig, aber ich freue mich auch nie, und es ist mir, als wenn ich nur halb lebte. Könnt Ihr das Steinherz nicht ein wenig beweglicher machen? Oder - gebt mir lieber mein altes Herz! Ich hatte mich in fünfundzwanzig Jahren daran gewöhnt, und wenn es auch zuweilen einen dummen Streich machte, so war es doch munter und ein fröhliches Herz."
Der Waldgeist lachte grimmig und bitter. "Wenn du einmal tot bist, Peter Munk", antwortete er, "dann soll es dir nicht fehlen. Dann sollst du dein weiches, rührbares Herz wiederhaben, und du kannst dann fühlen, was kommt, Freud oder Leid. Aber hier oben kann es nicht mehr dein werden. Doch, Peter! Gereist bist du wohl, aber so, wie du lebtest, konnte es dir nichts nützen. Lass dich jetzt irgendwo hier im Wald nieder, baue ein Haus, heirate, treib dein Vermögen um - es hat dir nur an Arbeit gefehlt. Weil du müßig warst, hattest du Langeweile und schiebst jetzt alles auf dies unschuldige Herz." Peter sah ein, dass Michel recht hatte, was den Müßiggang betraf, und nahm sich vor, reich und immer reicher zu werden. Michel schenkte ihm noch einmal hunderttausend Gulden und entließ ihn als seinen guten Freund.
Bald vernahm man im Schwarzwald die Mär, der Kohlenmunk-Peter oder Spielpeter sei wieder da und noch viel reicher als zuvor. Es ging auch jetzt wie immer. Als er am Bettelstab war, wurde er in der "Sonne" zur Tür hinausgeworfen, und als er jetzt an einem Sonntagnachmittag seinen ersten Einzug dort hielt, schüttelten sie ihm die Hand, lobten sein Pferd, fragten nach seiner Reise, und als er wieder mit dem dicken Ezechiel um harte Taler spielte, stand er in der Achtung so hoch als je. Er trieb jetzt aber nicht mehr das Glashandwerk, sondern den Holzhandel, aber nur zum Schein. Sein Hauptgeschäft war, mit Korn und Geld zu handeln. Der halbe Schwarzwald wurde ihm nach und nach schuldig. Aber er lieh Geld nur um zehn Prozent aus oder verkaufte Korn an die Armen, die nicht gleich zahlen konnten, um den dreifachen Wert. Mit dem Amtmann stand er jetzt in enger Freundschaft, und wenn einer Herrn Peter Munk nicht auf den Tag bezahlte, so ritt der Amtmann mit seinen Dienern hinaus, schätzte Haus und Hof, verkaufte es flugs und trieb Vater, Mutter und Kind in den Wald. Anfangs machte dies dem reichen Peter einige Unlust, denn die armen Gepfändeten belagerten dann haufenweise seine Tür. Die Männer flehten um Gnade, die Weiber suchten das steinerne Herz zu erweichen, und die Kinder winselten um ein Stücklein Brot. Aber als er sich ein paar tüchtige Fleischerhunde angeschafft hatte, hörte diese Katzenmusik - wie er es nannte - bald auf. Er pfiff und hetzte, und die Bettelleute flogen schreiend auseinander. Am meisten Beschwerde machte ihm "das alte Weib". Das war niemand anders als die Frau Munkin, Peters Mutter. Sie war in Not und Elend geraten, als man ihr Haus und Hof verkauft hatte, und ihr Sohn, als er reich zurückgekehrt war, hatte sich nicht mehr nach ihr umgesehen. Da kam sie nun zuweilen, alt, schwach und gebrechlich, an einem Stock vor das Haus. Hinein wagte sie sich nimmer, denn er hatte sie einmal weggejagt. Aber es tat weh, von den Wohltaten anderer Menschen leben zu müssen, da ihr der eigene Sohn ein sorgenloses Alter hätte bereiten können. Aber das kalte Herz wurde nimmer gerührt von dem Anblick der bleichen, wohlbekannten Züge, von den bittenden Blicken, von der welken, ausgestreckten Hand, von der hinfälligen Gestalt.
Mürrisch zog er, wenn sie sonnabends an die Tür pochte, einen Sechsbätzner heraus, schlug ihn in ein Papier ein und ließ ihn durch einen Knecht hinausreichen. Er vernahm ihre zitternde Stimme, wenn sie dankte und wünschte, es möge ihm wohl gehen auf Erden. Er hörte sie hüstelnd von der Tür schleichen, aber er dachte weiter nicht mehr daran, als dass er wieder sechs Batzen umsonst ausgegeben hatte.
Mürrisch zog er, wenn sie sonnabends an die Tür pochte, einen Sechsbätzner heraus, schlug ihn in ein Papier ein und ließ ihn durch einen Knecht hinausreichen. Er vernahm ihre zitternde Stimme, wenn sie dankte und wünschte, es möge ihm wohl gehen auf Erden. Er hörte sie hüstelnd von der Tür schleichen, aber er dachte weiter nicht mehr daran, als dass er wieder sechs Batzen umsonst ausgegeben hatte.
Endlich kam Peter auch auf den Gedanken zu heiraten. Er wusste auch, dass im ganzen Schwarzwald jeder Vater ihm gern seine Tochter geben würde. Aber er war schwierig in seiner Wahl, denn er wollte, dass man auch hierin sein Glück und seinen Verstand preisen sollte. Daher ritt er im ganzen Wald umher, schaute hier, schaute dort, und keine der schönen Schwarzwälderinnen dünkte ihn schön genug. Endlich, nachdem er auf allen Tanzböden umsonst nach der Schönsten ausgeschaut hatte, hörte er eines Tages, die Schönste und Tugendsamste im ganzen Wald sei eines armen Holzhauers Tochter. Sie lebe still und für sich, besorge geschickt und emsig ihres Vaters Haus und lasse sich nie auf dem Tanzboden sehen, nicht einmal zu Pfingsten oder zur Kirmes. Als Peter von diesem Wunder des Schwarzwalds hörte, beschloss er, um sie zu werben, und ritt nach der Hütte, die man ihm bezeichnet hatte. Der Vater der schönen Lisbeth empfing den vornehmen Herrn mit Staunen, und er staunte noch mehr, als er hörte, es sei dies der reiche Herr Peter und er wolle sein Schwiegersohn werden. Er besann sich auch nicht lange, denn er meinte, all seine Sorge und Armut werde nun ein Ende haben - sagte zu, ohne die schöne Lisbeth zu fragen, und das gute Kind war so folgsam, dass sie ohne Widerrede Frau Peter Munkin wurde.
Aber es ging der Armen nicht so gut, als sie sich geträumt hatte. Sie glaubte ihr Hauswesen wohl zu verstehen, aber sie konnte Herrn Peter nichts zu Dank machen. Sie hatte Mitleid mit armen Leuten, und da ihr Eheherr reich war, dachte sie, es sei keine Sünde, einem alten Bettelweib einen Pfennig oder einem alten Mann einen Schnaps zu reichen. Aber als Herr Peter dies eines Tages merkte, sprach er mit zürnenden Blicken und rauer Stimme: "Warum verschleuderst du mein Vermögen an Lumpen und Straßenläufer? Hast du was mitgebracht ins Haus, das du wegschenken könntest? Mit deines Vaters Bettelstab kann man keine Suppe wärmen, und du wirfst das Geld hinaus wie eine Fürstin! Noch einmal lass dich erwischen, und du sollst meine Hand fühlen!" Die schöne Lisbeth weinte in ihrer Kammer über den harten Sinn ihres Mannes, und sie wünschte oft, lieber daheim zu sein in ihres Vaters ärmlicher Hütte, als bei dem reichen, aber geizigen, hartherzigen Peter zu hausen. Ach, hätte sie gewusst, dass er ein Herz von Marmor hatte und weder sie noch irgendeinen Menschen lieben konnte, so hätte sie sich wohl nicht gewundert.
So oft sie aber jetzt unter der Tür saß, und es ging ein Bettelmann vorüber und zog den Hut und hob seinen Spruch an, so drückte sie die Augen zu, das Elend nicht zu sehen, und sie ballte die Hand fester, damit sie nicht unwillkürlich in die Tasche fahre, ein Kreuzerlein herauszulangen. So kam es, dass die schöne Lisbeth im ganzen Wald verschrien wurde, und es hieß, sie sei noch geiziger als Peter Munk. Aber eines Tages saß Frau Lisbeth wieder vor dem Hause und spann und summte ein Liedchen dazu, denn sie war munter, weil es schön Wetter und Herr Peter ausgeritten war übers Feld. Da kommt ein altes Männlein des Weges daher, das trägt einen großen, schweren Sack, und sie hört es schon von weitem keuchen. Teilnehmend sah ihm Frau Lisbeth zu und dachte, einem so alten, kleinen Mann sollte man nicht mehr so schwer aufladen. Indes wankte und keuchte das Männlein heran, und als es gegenüber von Frau Lisbeth war, brach es unter dem Sack beinahe zusammen. "Ach, habt die Barmherzigkeit, Frau, und reicht mir nur einen Trunk Wasser!" sprach das Männlein. "Ich kann nicht weiter, ich muss elend verschmachten."
"Aber Ihr solltet in Eurem Alter nicht mehr so schwer tragen", sagte Frau Lisbeth.
"Ja, wenn ich nicht Boten gehen müsste, der Armut halber und um mein Leben zu fristen", antwortete er. "Ach, eine so reiche Frau wie Ihr weiß nicht, wie weh Armut tut und wie wohl ein frischer Trunk bei dieser Hitze."
Als sie dies hörte, eilte sie ins Haus, nahm einen Krug vom Gesims und füllte ihn mit Wasser. Doch als sie zurückkehrte und nur noch wenige Schritte von ihm war und das Männlein sah, wie es so elend und verkümmert auf dem Sack saß, da fühlte sie inniges Mitleid, bedachte, dass ja ihr Mann nicht zu Hause war, und so stellte sie den Wasserkrug beiseite, nahm einen Becher, füllte ihn mit Wein, legte ein gutes Roggenbrot darauf und brachte es dem Alten. "So, und ein Schluck Wein mag Euch besser bekommen als Wasser, da Ihr schon gar so alt seid", sprach sie. "Aber trinkt nicht zu hastig und esst auch Brot dazu!" Das Männlein sah sie staunend an, bis große Tränen in seinen alten Augen standen. Es trank und sprach dann: "Ich bin alt geworden, aber ich habe wenig Menschen gesehen, die so mitleidig waren und ihre Gaben so schön und herzig zu spenden wussten wie Ihr, Frau Lisbeth! Aber es wird Euch auch dafür recht wohl gehen auf Erden - solch ein Herz bleibt nicht unbelohnt."
"Nein - und den Lohn soll sie auf der Stelle haben!" schrie eine schreckliche Stimme, und als sie sich umsahen, war es Herr Peter mit blutrotem Gesicht.
"Und sogar meinen besten Wein gießt du aus an Bettelleute, und meinen Becher gibst du an die Lippen der Straßenläufer? Da, nimm deinen Lohn!" Frau Lisbeth stürzte zu seinen Füßen und bat um Verzeihung. Aber das steinerne Herz kannte kein Mitleid, er drehte die Peitsche um, die er in der Hand hielt, und schlug sie mit dem Handgriff aus Ebenholz so heftig vor die schöne Stirn, dass sie leblos dem alten Mann in die Arme sank. Als Peter dies sah, war es doch, als reute ihn die Tat auf der Stelle. Er beugte sich herab, zu sehen, ob noch Leben in ihr sei, aber das Männlein sprach mit wohlbekannter Stimme: "Gib dir keine Mühe, Kohlen-Peter! Es war die schönste und lieblichste Blume des Schwarzwalds, aber du hast sie zertreten, und nie mehr wird sie wieder blühen."
Da wich alles Blut aus Peters Wangen, und er sprach: "Also Ihr seid es, Herr Schatzhauser? Nun, was geschehen ist, ist geschehen, und es hat wohl so kommen müssen! Ich hoffe aber, Ihr werdet mich nicht bei dem Gericht anzeigen als Mörder."
"Elender!" erwiderte das Glasmännlein. "Was würde es mir nützen, wenn ich deine sterbliche Hülle an den Galgen brächte? Nicht irdische Gerichte sind es, die du zu fürchten hast, sondern andere und strengere! Denn du hast deine Seele an den Bösen verkauft."
"Und hab' ich mein Herz verkauft", schrie Peter, "so ist niemand daran schuld als du und deine betrügerischen Schätze! Du tückischer Geist hast mich ins Verderben geführt, mich getrieben, dass ich bei einem andern Hilfe suchte, und auf dir liegt die ganze Verantwortung!" Aber kaum hatte er dies gesagt, so wuchs und schwoll das Glasmännlein und wurde so hoch und breit, und seine Augen wurden so groß wie Suppenteller, und sein Mund war wie ein geheizter Backofen, und Flammen sprühten daraus hervor. Peter warf sich auf die Knie, und sein steinernes Herz schützte ihn nicht davor, dass seine Glieder zitterten wie Espenlaub. Mit Geierkrallen packte ihn der Waldgeist im Nacken, drehte ihn um, wie Wirbelwind dürres Laub, und warf ihn dann zu Boden, dass ihm alle Rippen krachten. "Erdenwurm-!" rief er mit einer Stimme, die wie der Donner rollte, "ich könnte dich zerschmettern, wenn ich wollte, denn du hast gegen den Herrn des Waldes gefrevelt! Aber um dieses toten Weibes willen, die mich gespeist und getränkt hat, gebe ich dir acht Tage Frist. Bekehrst du dich nicht zum Guten, so komme ich und zermalme deine Gebeine, und du fährst hin in deinen Sünden!"
Es war schon Abend, als einige Männer, die vorbeigingen, den reichen Peter Munk auf der Erde liegen sahen. Sie wandten ihn hin und her und suchten, ob noch Atem in ihm sei, aber lange war ihr Suchen vergeblich. Endlich ging einer ins Haus und brachte Wasser herbei und besprengte ihn. Da holte Peter tief Atem, stöhnte und schlug die Augen auf, schaute lange um sich her und fragte dann nach Frau Lisbeth - aber keiner hatte sie gesehen. Er dankte den Männern für ihre Hilfe, schlich sich in sein Haus und suchte überall. Aber Frau Lisbeth war weder im Keller noch auf dem Boden, und das, was er für einen schrecklichen Traum gehalten hatte, war bittere Wahrheit. Wie er nun so ganz allein war, da kamen ihm sonderbare Gedanken. Er fürchtete sich vor nichts, denn sein Herz war ja kalt - aber wenn er an den Tod seiner Frau dachte, kam ihm sein eigenes Hinscheiden in den Sinn und wie belastet er dahingehen werde - schwer belastet mit Tränen der Armen, mit tausend ihrer Flüche, die sein Herz nicht erweichen konnten, mit dem Jammer der Elenden, auf die er seine Hunde gehetzt hatte, belastet mit der stillen Verzweiflung seiner Mutter, mit dem Blut der schönen, guten Lisbeth. Und konnte er doch nicht einmal dem alten Mann, ihrem Vater, Rechenschaft geben, wenn er käme und fragte: "Wo ist meine Tochter, dein Weib?" Wie wollte er einem andern Antwort geben, dem alle Wälder, alle Seen, alle Berge gehören und - das Leben der Menschen?
Es quälte ihn auch nachts im Traum, und alle Augenblicke wachte er auf von einer süßen Stimme, die ihm zurief: "Peter, schaff dir ein wärmeres Herz!" Und wenn er erwacht war, schloss er doch schnell wieder die Augen. Denn der Stimme nach musste es Frau Lisbeth sein, die ihm diese Warnung zurief. Am andern Tag ging er ins Wirtshaus, um seine Gedanken zu zerstreuen, und dort traf er den dicken Ezechiel. Er setzte sich zu ihm, sie sprachen dies und jenes - vom schönen Wetter, vom Krieg, von den Steuern und endlich auch vom Tod und wie da und dort einer so schnell gestorben sei. Da fragte Peter den Dicken, was er denn vom Tod halte und wie es nachher sein werde. Ezechiel antwortete ihm, dass man den Leib begrabe, die Seele aber fahre entweder auf zum Himmel oder hinab in die Hölle.
"Also begräbt man das Herz auch?" fragte Peter gespannt. "Ei, freilich, das wird auch begraben!"
"Wenn aber einer sein Herz nicht mehr hat?" fuhr Peter fort.
Ezechiel sah ihn bei diesen Worten schrecklich an. "Was willst du damit sagen? Willst du mich foppen? Meinst du, ich habe kein Herz?"
"Oh, Herz genug - so hart wie Stein", erwiderte Peter.
Ezechiel sah ihn verwundert an, schaute sich um, ob es niemand gehört habe, und sprach dann: "Woher weißt du es? Oder pocht vielleicht das deinige auch nicht mehr?"
"Pocht nicht mehr - wenigstens nicht hier in meiner Brust!" antwortete Peter Munk. "Aber sag mir - da du jetzt weißt, was ich meine -, wie wird es gehen mit unseren Herzen?"
"Was kümmert dich dies, Gesell?" fragte Ezechiel lachend. "Hast ja auf Erden vollauf zu leben und damit genug. Das ist ja gerade das Bequeme an unseren kalten Herzen, dass uns keine Furcht befällt bei solchen Gedanken."
"Wohl wahr! Aber man denkt doch daran, und wenn ich auch jetzt keine Furcht mehr kenne, so weiß ich wohl doch noch, wie sehr ich mich vor der Hölle fürchtete, als ich noch ein kleiner, unschuldiger Knabe war."
"Nun - gut wird es uns gerade nicht gehen", sagte Ezechiel. "Hab' mal einen Schulmeister danach gefragt, der sagte mir, dass nach dem Tode die Herzen gewogen werden, wie schwer sie sich versündigt hätten. Die leichten steigen auf, die schweren sinken hinab, und ich denke, unsere Steine werden ein gutes Gewicht haben."
"Ach freilich", erwiderte Peter, "und es ist mir oft selbst unbequem, dass mein Herz so teilnahmslos und ganz gleichgültig ist, wenn ich an solche Dinge denke."
So sprachen sie. Aber in der nächsten Nacht hörte er fünf- oder sechsmal die bekannte Stimme in sein Ohr lispeln: "Peter, schaff dir ein wärmeres Herz!" Er empfand keine Reue, dass er sie getötet hatte, aber wenn er dem Gesinde sagte, seine Frau sei verreist, so dachte er immer dabei: "Wohin mag sie wohl gereist sein?" Sechs Tage hatte er es so getrieben, und immer hörte er nachts diese Stimme, und immer dachte er an den Waldgeist und seine schreckliche Drohung. Aber am siebenten Morgen sprang er von seinem Lager auf und rief: "Nun ja, will sehen, ob ich mir ein wärmeres Herz schaffen kann - denn der gleichgültige Stein in meiner Brust macht mir das Leben nur langweilig und öde." Er zog schnell seinen Sonntagsstaat an, setzte sich auf sein Pferd und ritt dem Tannenbühl zu.
Im Tannenbühl, wo die Bäume dichter standen, saß er ab, band sein Pferd an und ging schnellen Schrittes dem Gipfel des Hügels zu, und als er vor der dicken Tanne stand, hob er seinen Spruch an:
Da kam das Glasmännlein hervor, aber nicht freundlich und traulich wie sonst, sondern düster und traurig. Es hatte ein Röcklein von schwarzem Glas an, und ein langer Trauerflor flatterte vom Hut herab, und Peter wusste wohl, um wen es trauerte.
"Schatzhauser im grünen Tannenwald,
Bist viele hundert Jahre alt,
Dein ist all Land, wo Tannen stehen,
Lässt dich nur Sonntagskindern sehn."
… Fortsetzung folgt …
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